Speisekarten

Was prägte die deutsche Kultur in der Nachkriegszeit: ein Blick in die Kochbücher und Speisekarten jener Jahre spricht eine deutliche Sprache: Fleisch! Sich Fleisch leisten zu können, war nicht nur ein bezahlbarer Luxus geworden, sondern gar zum "Stück Lebensqualität" berufen. Bis heute halten sich die Traditionen großer Fleisch- und Wurstportionen in deutschen Lokalen. Um dies zu belegen reicht ein Blick in die Schaukästen von Landgasthöfen, Brauereien und Sportgaststätten. Doch ebenso wie die oft mit Biermarken oder zierendem Metall umschwungenen Schautafeln in die Jahre gekommen sind, ändert sich auch der Blick aufs Fleisch. Jährliche sinkende Konsument:innenzahlen führen zu emotionalen Ausbrüchen und Diskussionen und immer mehr machen sich Bowls und vegane Varianten Platz auf den nun schick designten Karten.
Die "Speisekarten" porträtieren in ausgedienten Schaukästen von Dorfgasthöfen mit zahllosen Ausschnitten aus Werbeprospekten den Fleischkonsum. Ebenso setzen sie sich mit der Präsentationsform in den Wurfsendungen auseinander. Gerade im Fall von rohem Hackfleisch oder Wurst scheint dies besonders absurd. Denn ein Berg gewolften Fleischs bietet erst einmal wenig ästhetischen Reiz. Also nutzt man hier gern den "Serviervorschlag" als Gestaltungsmittel. 1000g XXXL-Hack im Angebot, aber garniert mit vier Basilikumblättern, etwas Petersilie oder zwei rohen Zwiebelringen an der Leberwurst. Würde man so nie verspeisen wollen, ist aber offenbar für das heutige Auge leichter zu ertragen als das pure Produkt.
In der Masse wirkt das meist kleinformatige Werbebildchen dann aber doch unangenehm rosa und scheint im Schaukasten überzuquellen.